Der Fluch des Georg Simon Ohm

Der Fluch des Georg Simon Ohm



Eine Glosse fürs Dampfer-Magazin, im August 2015, geschrieben und gesprochen von Philgood

Das hätte er wohl nicht gedacht, der Georg Simon Ohm, als er im Frühling 1826 die Grundsätze der „Proportionalität zwischen Stromstärke und Spannung in einem elektrischen Leiter“ niederschrieb. Er hätte nicht gedacht, dass dieses nach ihm benannte „Ohmsche Gesetz“ in einer fernen Zukunft plötzlich für eine ganze Menge Menschen enorm wichtig und einflussreich wird. Für Menschen, die sonst nichts mit Elektrotechnik am Hut haben, notabene.

Diese Menschen sind natürlich wir Dampfer, für uns ist das Ohmsche Gesetz ein in Stein gemeisseltes Heiligtum, dem wir huldigen. Könnte man meinen, wenn man sich in den sozialen Medien oder den Foren umschaut. Überall begegnet es einem, meistens höhnisch lachend und in aller Regel wird es zur Untermauerung irgendeiner Wichtigtuerei zitiert. „Das geht nicht, laut ohmschem Gesetz muss das so und so!“, oder „das kann nicht funktionieren, google mal nach dem ohmschen Gesetz, dann weisst Du‘s!“

Manchmal nervt mich das! Das ohmsche Gesetz erklärt uns zwar vieles, was beim Dampfen wichtig ist. Es definiert gewisse Dinge und hilft uns Zusammenhänge zu verstehen. Aber Georg Simon Ohm hatte keine Ahnung vom Dampfen und ich bin mir sicher, wenn er ein Dampfer gewesen wäre, dann hätte Herr Ohm das Ganze nicht nur auf sein Gesetz heruntergebrochen. Er hätte erkannt, dass das Dampfen weitaus komplexer und vielfältiger ist, als dass man es mit ein paar physikalischen Grundsätzen beschreiben (resp. begrenzen) könnte.

Unlängst hatte ich in einem Video erwähnt, dass ich beim Stacking, also wenn ich die Spannung mit zwei Akkus verdopple, auch den Widerstand verdopple. Daraufhin hatte mich sofort ein Dampfer angeschrieben und mir erklärt, dass dies Blödsinn sei und so nicht stimme. Nach ohmschem Gesetz müsse man den Widerstand vervierfachen, das sei dann korrekt. Ich habe ihm dann zurückgeschrieben, dass dies zwar in der Theorie stimme, aber in der Praxis nicht funktioniere. Wenn ich einen Widerstand von 2 Ohm mit 4 Volt befeuere, erzeugt das einen schönen Dampf. Wenn ich jetzt aber den Widerstand vervierfache und die Spannung verdopple, wie von ihm vorgeschlagen, dann sind wir bei 8 Ohm und 8 Volt. Und da dampft dann leider beim besten Willen nix mehr.

Die Konversation ging noch etwas hin und her, ohne aber zu einem Ergebnis zu führen. Er beharrte auf dem ohmschen Gesetz und ich darauf, dass ich einfach nur lecker dampfen will. Aber was stimmt denn nun? Das ohmsche Gesetz oder mein Geschmack? Nun, beides. Tatsächlich müsste man beim Stacking den Widerstand vervierfachen, um auf die gleiche Leistung wie mit einem Akku zu kommen. Aber – das will man ja genau nicht, sonst müsste man ja gar nicht stacken! Nein, man will ja einen extra Rumms und den bekommt man beim Hochvoltdampfen eben wenn man den Widerstand verdoppelt.

Und damit komme ich auf die Überschrift zurück, „Der Fluch des Georg Simon Ohm“. Wenn man das ohmsche Gesetz als die einzige Wahrheit nimmt, dann wird es zum Fluch. Weil es eben nicht das Dampfen regelt, sondern nur die Proportionalität zwischen verschiedenen elektrischen Einheiten. Das Dampfen ist aber viel mehr, es spielen sehr viele Dinge zusammen: Verdampfer-Eigenschaften, Luftfluss, Liquidfluss, Viskosität, Aroma, Dampftemperatur, Tagesform und noch so einiges mehr. Erst die Summe all dieser Punkte ergibt dann schlussendlich ein gutes oder eben ein schlechtes Dampfergebnis. Und genau darauf kommt es an, „Sweet Spot“ ist das Zauberwort, nicht „ohmsches Gesetz“! Es muss schmecken, es muss einem Freude bereiten und Spass machen! Dann stimmt es und passt. Egal was das ohmsche Gesetz dazu aussagt.

Es war schon immer eine der häufigsten Fragen, die mir die Dampfer stellten: „Phil, ich hab den Widerstand auf dem Gerät, was soll ich jetzt einstellen?“ Seit es die temperaturgeregelten Geräte gibt, kommt diese Frage noch viel häufiger vor. Da haben wir nämlich mit dem Koeffizienten und Grad Celsius noch zwei weitere Einheiten, die es einzuordnen gilt. Aber mein Rat ist immer noch genau der gleiche: Stellt Euch irgendetwas ein und schaut ob es Euch schmeckt, resp, regelt dann nach bis es Euch schmeckt. Euer Geschmack entscheidet und nicht Georg Simon Ohm!

Lasst das ohmsche Gesetz nicht zum Fluch werden, dem man sich zwingend unterordnen muss, sondern nutzt es als das, was es für uns Dampfer ist: Eine Orientierungshilfe und eine Grundlage zum besseren Verständnis. Aber sicherlich kein unumstössliches Manifest, dem sich das Dampfen unterzuordnen hat!

Stellt Euch mal vor, Georg Simon Ohm wäre nicht so ein kluger Kopf gewesen und hätte auf den Zettel anstatt „U = R · I“ einfach ein paar Strichmännchen gemalt. Nun, wir würden heute trotzdem dampfen und uns daran freuen.

In diesem Sinne, gehabt Euch wohl und allzeit gut Dampf!

Euer Philgood