Ich denke - also spinn ich - wie ich meine



Eine Glosse fürs Dampfer-Magazin, im Juli 2014, geschrieben und gesprochen von Philgood


„Ich mag Deine Videos sehr gerne, ich schaue sie mir alle an. Aber kannst Du bitte dringend mit diesen unsäglichen angehängten Halbsätzen „wie ich meine“ oder „wie ich finde“ aufhören??? Es nervt einfach nur noch und es wird immer mehr, ich krieg Ausschlag!
Und was noch schlimmer ist, jetzt fangen die in den Foren und auf Facebook auch schon mit dem Mist an, überall lese ich „wie ich meine“ und „wie ich finde“ am Ende des Satzes, ich fühle mich verfolgt!!! “

Das hat mir Volker aus Hannover geschrieben. Es war übrigens eine durchaus freundliche und auch lustige PN, ich habe hier nur zwei Sätze herausgeschrieben.
Hm, ist das wirklich so? Sag ich das in meinen Videos? Und tatsächlich, das hat sich bei mir offensichtlich als Redewendung eingeschlichen, ohne dass ich es bemerkt habe. Ich sage das wirklich oft, z.B. „das ist ein sehr schöner Akkuträger, wie ich meine“. Da hat der Volker recht, obwohl ich die Wendung sprachlich jetzt nicht mal so unelegant finde.

Aber - ich kann den Volker durchaus verstehen, ich rege mich auch oft über Sprache auf. Wobei, „aufregen“ ist wahrscheinlich das falsche Wort, ich beobachte eher erstaunt was für seltsame Sprachmarotten immer wieder auftauchen. Mein Lieblings-Fail seit Jahren ist das unsägliche „ich denke“. Eine Wortkreation aus der Hölle, es läuft mir jedes Mal schaudernd den Rücken herunter.

Und dazu hat man täglich massenhaft Gelegenheit. Jeder Politiker, Musiker, Sportler, Reporter, Hanswurst, einfach jeder dem aus irgendeinem Grund irgendeine Frage gestellt wird beginnt seinen nichtssagenden Satz mit „ich denke“. Reporter: „Wie war das Spiel?“ Trainer: „Ich denke wir haben gut gespielt“. Reporter: „Sind Sie zufrieden mit der Wahl?“ Politiker: „Ich denke wir haben heute ein Zeichen gesetzt“.

Meine Güte, kann man nicht einfach sagen „wir haben gut gespielt“? Oder „wir haben heute ein Zeichen gesetzt“? Auch ein „ich glaube wir haben gut gespielt“ oder „ich hoffe dass wir heute ein Zeichen gesetzt haben“ wäre doch durchaus angebracht. Warum die Sprache komplizieren und dem Gesprächspartner vorgaukeln man hätte sich tatsächlich etwas überlegt obwohl man nur irgendwelche abgedroschenen Floskeln rausposaunt.

Man möchte die Idioten am Kragen packen, sie durchschütteln und mit hochrotem Kopf anschreien „Nein, Du denkst nicht Du sprichst!!!“. Denken und sprechen ist nicht das Gleiche, bei weitem nicht! Man sollte wenn immer möglich erst denken und dann sprechen. Das wäre der Idealfall, er ist leider selten genug.

Und noch was, warum um Gottes Willen sollte ich jemandem erzählen dass ich denke? Es ist logisch, jeder Mensch weiss dass jeder Mensch denkt. Die einen ein Bisschen mehr, die anderen ein ganzes Stück weniger, zugegeben. Aber – jeder Mensch denkt. Und deshalb muss ich es nicht sagen, „ich denke“, jeder weiss dass ich das tue, es ist verbale Umweltverschmutzung!

Ich beginne ja auch nicht jeden Satz mit „ich atme“. Das wäre ziemlich genau das Gleiche, jeder weiss dass ich atme, also muss ich es keinem erzählen. Reporter: „Wie war das Spiel?“ Trainer: „Ich atme, wir haben gut gespielt“. Blödsinn! Und was passiert wenn er mal vergisst „ich atme“ zu sagen, kommt dann automatisch der Notarzt?

Hah, Ihr seht, ich kann mich herrlich in das Thema Sprache hineinsteigern und es macht mir Spass! Obwohl „Hochdeutsch“, wie wir Schweizer es nennen, nicht meine eigentliche Muttersprache ist betrachte ich es dennoch als das. Sprache macht mir Freude, es ist ein Hobby das man jeden Tag einfach so nebenbei betreiben kann. Radio hören, TV schauen, Gespräche führen oder belauschen, es ist herrlich! Ein unerschöpflicher Schatz an spannenden Begebenheiten, Wendungen und Endungen!

Vielleicht, wenn ich irgendwann mal pensioniert bin, vielleicht schreibe ich dann einen Sprachblog. Das würde mir gefallen! Auf einer sonnigen Veranda sitzen, in den blauen Himmel starren, den Vögeln zuhören und mit einem Füllfederhalter in ein Linienheft schreiben, das Löschpapier immer griffbereit. Erste Folge: Warum ein Löschpapier nichts löschen kann, weder Hausbrände noch Geschriebenes. Oder vielleicht ein philosophischer Vergleich zwischen Löschpapier und der Delete-Taste. Ich denke – darüber nach.

(By the way, könnte man vielleicht Löschpapier als Dochtmaterial benutzen? Kapillareffekt und so?)

Ach so, was das alles mit dem Dampfen zu tun hat? Nun, ich denke nichts. Wie ich meine.

In diesem Sinne, gehabt Euch wohl und allzeit gut Dampf!

Euer Philgood